Förderprogramm "Spenden gegen Krebs"
Jedes Jahr können sich Projektteams des NCT Heidelberg um Fördergelder aus dem Programm „Spenden gegen Krebs“ bewerben. Eine Jury aus Expert:innen aus verschiedenen Disziplinen begutachtet die eingereichten Anträge und wählt die Forschungsprojekte aus, die mit Spendengeldern gefördert werden. In diesem Jahr hat sich die Jury für je drei Projekte aus der Translationalen Forschung sowie aus Pflege und Beratung entschieden:
MIRROR - Mobiler Illustrator des Radiotherapieverlaufs für die Review, DateneinOrdnung und Reflektion
Dr. Kristina Giske, Dr. Martin Niklas
Die Strahlentherapie ist oft komplex und für Patient:innen schwer verständlich, da viele Informationen zusammenfließen. Derzeit haben weder Patient:innen noch behandelnde Ärzte und Ärztinnen, vor allem Hausärztinnen und -ärzte, einfachen Zugang zu allen relevanten Daten. Patienten können ihren Therapieplan meist nur vor Ort einsehen und verlieren danach den Zugriff darauf.
Um dies zu verbessern, möchte das Projektteam einen „digitalen Zwilling“ entwickeln – eine browserbasierte Software, die Patient:innen ermöglicht, ortsunabhängig alle wichtigen Informationen, wie Bilddaten oder ärztliche Entscheidungen, verständlich einzusehen.
Der Prototyp wird gemeinsam mit Expert:innen und einem ehemaligen Patienten entwickelt, um eine patientenzentrierte Lösung sicherzustellen. Ziel ist es, die Therapie transparenter zu machen und Patient:innen stärker einzubinden, sodass sie selbst entscheiden können, wann und wie viele Informationen sie erhalten möchten. Künftig sollen zusätzliche Funktionen, wie ein digitales Patienten-Tagebuch, integriert werden, um den Therapieverlauf noch besser zu visualisieren.
KI-gestützte Einblicke in Entscheidungen von Patient:innen
Dr. Cindy Körner, Dr. Keno März, Dr. Katja Mehlis, PD. Dr. Markus Herrmann
Viele Krebspatient:innen brechen Behandlungen ab, zögern mit der Entscheidung zu Therapien oder der Teilnahme an klinischen Studien. Ihre Gründe sind oft schwer zugänglich, da traditionelle Ansätze wie Gespräche mit Ärzt:innen oder der Austausch in Selbsthilfegruppen meist nur eine begrenzte, positiv eingestellte Gruppe erreichen. Das Projektteam will ein KI-gestütztes Tool entwickeln, das aus Beiträgen in Foren oder Blogs die häufigsten Beweggründe identifiziert, etwa warum klinische Studien abgelehnt werden.
Zunächst werden mit den lokalen Patientenforschungsräten und dem nationalen Gremium relevante Internetquellen zusammengestellt. Deren Inhalte analysiert ein lokal ausgeführtes Large Language Model (LLM), das gezielt nach Aussagen sucht, wie etwa „Warum wurde die Studienteilnahme abgelehnt?“. Die Ergebnisse werden in einer Datenbank strukturiert und sozialwissenschaftlich ausgewertet.
Die Erkenntnisse können dazu beitragen, Hindernisse für klinische Studien besser zu verstehen, die Rekrutierung von Patient:innen zu verbessern und letztlich die klinische Forschung im Bereich der Onkologie inklusiver zu gestalten. Auch bei anderen Fragen, wie dem Verzicht auf Früherkennung entgegen von evidenzbasierten Empfehlungen, könnte das Tool zukünftig eingesetzt werden.
Definition von sicher anwendbaren Antibiotika in der Immunonkologie
Dr. Maria Paula Roberti, Dr. Dr. med. Conrad Rauber
Antibiotika können die Wirkung von Immuntherapien bei Krebs beeinträchtigen, da sie das Gleichgewicht der Darmflora stören. Dies ist problematisch, da Antibiotika in der Krebstherapie oft lebenswichtig sind – zum Beispiel erhalten 50 Prozent der Patient:innen mit Gallengangskrebs in den ersten drei Monaten einer Immuntherapie Antibiotika. Es ist jedoch unklar, welche Antibiotika die Wirksamkeit der Immuntherapie beeinflussen.
Unsere Forschung hat gezeigt, dass bestimmte Immunzellen, sogenannte α4β7-Tregs, für den Erfolg der Immuntherapie entscheidend sind. Diese Zellen binden im Darm an das Protein MAdCAM-1, welches durch eine gesunde Darmflora reguliert wird. Antibiotika verringern jedoch MAdCAM-1, was die Immunzellen in den Blutkreislauf und letztlich zum Tumor leitet, wo sie die Immuntherapie blockieren.
Das Projektteam möchte den Einfluss von Antibiotika auf MAdCAM-1 und α4β7-Zellen sowohl in Zellmodellen als auch bei Patient:innen untersuchen. Ziel ist es, Risiken zu erkennen und neue Ansätze wie Stuhltransplantationen zur Unterstützung der Immuntherapie weiterzuentwickeln.
Empowerment durch Wissen: patientenzentrierte und videobasierte Fatigueaufklärung in verschiedenen Sprachen (EFA-Projekt)
Patricia Blickle, Martina Schmidt, Imke Veit-Schirmer, Prof. Dr. Karen Steindorf
Krebsassoziierte Fatigue betrifft bis zu 90 Prozent der Krebspatient:innen und äußert sich in starker körperlicher, emotionaler oder geistiger Erschöpfung. Sie kann die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Jedoch wird oft nicht ausreichend über Fatigue aufgeklärt, was Angst und Stress verstärken und somit wirkungsvolle Maßnahmen erschweren kann. Frühe Aufklärung, am besten zu Beginn der Therapie, ist daher essenziell und wird von Leitlinien der NCCN und ESMO empfohlen.
Ziel des Projektteams ist es, Patient:innen über Fatigue zu informieren, ihnen Selbstmanagement-Tipps zu geben und sie zur Nutzung von Unterstützungsangeboten zu ermutigen. Aufbauend auf positiven Erfahrungen mit bestehenden Materialien soll die Aufklärung über ein animiertes Video geschehen. Es wird Fatigue verständlich erklären, Strategien zur Bewältigung vorstellen und geeignete Anlaufstellen aufzeigen.
Das Video soll in Deutsch, Englisch und einer weiteren Sprache produziert werden, um auch Geflüchtete und Nicht-Muttersprachler:innen zu erreichen. Die Entwicklung erfolgt mit Patientenvertretungen und einer professionellen Firma. Nach Evaluierung und Anpassung wird es in die Patientenaufklärung integriert, um die Lebensqualität durch besseres Fatiguemanagement zu erhöhen.
„Auszeit für Familien” – Etablierung und Evaluation einer psychoonkologischen, familientherapeutischen Intervention für Krebspatient:innen und ihre Familien
Dr. sc. hum Miriam Grapp, Katrin Willig, Dr. rer. nat. Cindy Körner, Dr. med. Till Johannes Bugaj
Wenn ein Elternteil an Krebs erkrankt, ist die ganze Familie betroffen. Emotionale Belastungen und gestörte Alltagsroutinen führen dazu, dass Krebserkrankungen als „we disease“ bezeichnet werden. Unterstützungsangebote gibt es meist nur für Einzelpersonen, nicht jedoch für die gesamte Familie.
Um diese Lücke zu schließen, hat die Psychoonkologie am NCT Heidelberg 2024 die „Auszeit für Familien“ entwickelt. Dieses zweitägige Angebot mit Übernachtung richtet sich an Familien mit einem krebskranken Elternteil, unabhängig von der Erkrankungssituation. Ziel ist es, gemeinsam Kraft zu tanken, sich als „Familien-Team“ zu erleben und sich mit anderen betroffenen Familien auszutauschen. Neben Aktivitäten für die gesamte Familie gibt es altersspezifische Workshops für Kinder, Jugendliche und Eltern.
Dank Spenden und ehrenamtlicher Unterstützung konnte die Pilotphase durchgeführt werden. Nun sind zwei weitere Durchgänge geplant, begleitet von einer wissenschaftlichen Evaluation, um das Angebot langfristig zu etablieren.
CareTalk: Bedarfserhebung zum Thema Sprachmittlung im palliativen Kontext
Dr. phil. Julia Thiesbonenkamp-Maag, Dr. med. Christina Gerlach M.Sc., Bettina Fetzer
Das Überbringen schlechter Nachrichten gehört zu den schwierigsten Gesprächssituationen in der Medizin. Wer schwer an Krebs erkrankt ist, braucht jemandem, der genau und empathisch zuhört und gut erklären kann, was geschieht. Sprachbarrieren erschweren oft die Versorgung. Übersetzungen erfolgen meist durch Angehörige oder Personal in Kliniken und Praxen, was problematisch ist: Fachbegriffe werden nicht korrekt wiedergegeben, Übersetzungen durch Höflichkeit und Mitleid verzerrt oder Aufklärungen sind rechtlich nicht konform.
Das Projekt CareTalk möchte diese Barrieren durch qualifizierte Dolmetscher:innen und geschultes Personal überwinden. In Phase 1 werden Dolmetsch-Studierende befragt, was für eine adäquate Ausbildung im Bereich des medizinischen Übersetzens notwendig ist. Ebenso werden Patient:innen, Angehörige und Fachpersonal zu ihren Bedürfnissen interviewt. In Phase 2 werden Schulungen für Dolmetscher:innen und medizinisches Personal entwickelt. Phase 3 sieht die multizentrische Ausweitung des Programms vor.
Mit praxisnahen Schulungen und qualitativer Forschung möchte CareTalk einen neuen Standard in der transkulturellen palliativen Onkologie setzen und eine würdevolle Versorgung für alle Patient:innen, unabhängig von ihrer Herkunft, ermöglichen.