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Präzisionsonkologie

„Ärzte haben schon immer gewusst, dass jeder Patient einzigartig ist, und sie haben immer versucht, ihre Behandlungen so gut wie möglich auf den einzelnen Patienten abzustimmen. Man kann eine Bluttransfusion der Blutgruppe anpassen – das war eine wichtige Entdeckung. Was wäre, wenn sich eine Krebsbehandlung genauso einfach und standardisiert an unseren genetischen Code anpassen ließe? Was wäre, wenn die richtige Dosis des richtigen Medikaments zu finden so einfach wäre, wie die Körpertemperatur zu messen?“ Barack Obama, 2015

Die Präzisionsonkologie oder personalisierte Onkologie verfolgt das Ziel, jedem Krebspatienten anhand einer umfassenden molekularen, zellulären und funktionellen Analyse seines Tumors eine individualisierte Behandlung anzubieten. Wir wissen heute, dass sich die biologischen Eigenschaften nicht nur von Krebserkrankung zu Krebserkrankung, sondern auch von Patient zu Patient erheblich unterscheiden.

Eine der Kernkompetenzen unserer Abteilung ist es, im Rahmen spezifischer Programme und Studien individuelle Tumoren im Detail zu untersuchen und den betroffenen Patienten Zugang zu einer maßgeschneiderten, personalisierten Behandlung zu ermöglichen. Neben der Identifizierung neuer zielgerichteter Medikamente und der Definition rationaler Wirkstoffkombinationen unterstützen wir dabei auch den möglichst präzisen Einsatz von bereits etablierten Behandlungsformen wie der konventionellen Chemotherapie, der Immuntherapie, der Strahlentherapie und der chirurgischen Verfahren.

Zur systematischen Umsetzung der Präzisionsonkologie am NCT Heidelberg haben wir 2013 das MASTER (Molecularly Aided Stratification for Tumor Eradication Research) Programm ins Leben gerufen, das seit 2016 auch an allen Standorten des Deutschen Konsortiums des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK) implementiert ist. Im NCT/DKTK MASTER Programm untersuchen wir den Wert einer umfassenden Charakterisierung (derzeit Ganzgenom- und RNA-Sequenzierung sowie genomweite Analyse der DNA-Methylierung) individueller Tumoren bei jüngeren Erwachsenen mit fortgeschrittenen Krebserkrankungen und Patienten mit seltenen Tumoren. Basierend auf einem multidisziplinären Workflow haben wir bislang mehr als 1300 Fälle analysiert und in einem zweimal wöchentlich stattfindenden molekularen Tumorboard diskutiert, und es konnte bei mehr 80% der Patienten eine personalisierte Therapieoption identifiziert werden.

Um die klinische Bedeutung einer umfassenden biologischen Stratifizierung maligner Tumoren zu untersuchen und Patienten einen frühen Zugang zu individualisierten Behandlungsoptionen zu ermöglichen, beteiligen wir uns in enger Zusammenarbeit mit der NCT Studienzentrale unter der Leitung von Prof. Richard Schlenk und Dr. Andreas Eisenmenger an der Entwicklung von innovativen Therapiestudien, die direkt an das MASTER Programm anknüpfen.

Die im MASTER Programm gewonnenen molekularen, zellulären und funktionellen Daten fließen nicht nur in die Behandlung der Patienten ein, sondern werden im Sinne einer „reversen Translation“ auch der angewandten Grundlagenforschung zur Verfügung gestellt. Die experimentellen Arbeiten der Laborwissenschaftler unserer Abteilung führen zu einem besseren Verständnis unterschiedlicher Krebserkrankungen und bahnen wiederum den Weg für neue, pathogenetisch orientierte Therapiestrategien.

Neben der Bedeutung einer vielseitigen diagnostischen und therapeutischen Plattform, die alle translationalen Aspekte der modernen Krebsmedizin abdeckt, illustriert der Erfolg des MASTER Programms insbesondere auch den Mehrwert eines intensiven Austauschs von Daten und Expertise im Rahmen eines überregionalen Netzwerks präzisionsonkologischer Spitzenzentren.