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vom 08.05.2019

Doktoranden am NCT: Hier kommt niemand als Einzelkämpfer zum Ziel

Bis Krebstherapien den Patienten zugutekommen können, werden sie jahrelang erforscht und erprobt. Das Nationale Centrum für Tumorerkrankung (NCT) Heidelberg bringt Krebsforschung von der Laborbank bis ans Krankenbett. Nicht immer unter einem Dach, denn für alle Initiativen des führenden onkologischen Spitzenzentrums reicht ein Gebäude schon lange nicht mehr aus. Aber beim Forschen, Therapieren und Vorbeugen verbindet alle ein Gedanke: gemeinsam gegen Krebs. Das gilt vor allem auch für eine große Gruppe von Doktoranden, die sich in den unterschiedlichsten Forschungsgruppen meist für eine Dauer von mehreren Jahren intensiv mit einem Thema der Krebsforschung beschäftigen.

Der Doktortitel ist der höchste akademische Grad, den eine Universität vergeben kann. In Deutschland bedeutet eine Promotion in erster Linie, sich intensiv einem bestimmten Thema oder einem Forschungsprojekt zu widmen. Üblicherweise dauert eine Doktorarbeit drei bis fünf Jahre. Medizinische Doktoranden können eine experimentelle Doktorarbeit im Rahmen des Medizinstudiums in der Grundlagenforschung machen. Nach der intensiven Forschungszeit hat die Doktorandin oder der Doktorand nicht nur neue wissenschaftliche Erkenntnisse generiert, sondern in der Regel eine Reihe von Fähigkeiten erworben, die sie beziehungsweise ihn für den weiteren Karriereweg qualifizieren.

Valentino De Leo hat technische Biologie studiert. Er ist Doktorand bei Professor Jürgen Krauss, Leiter der Sektion Immuntherapie am NCT Heidelberg. Schon seit der Schulzeit hat ihn die Komplexität des Immunsystems fasziniert. In seinem Forschungsprojekt arbeitet er an einer Immuntherapie mit sogenannten CAR-T-Zellen (chimäre Antigenrezeptor-T-Zellen). Dabei werden Patienten zunächst eigene T-Zellen entnommen. „Man kann diese Zellen im Labor mit künstlichen Proteinen ausstatten, die Strukturen auf der Oberfläche der Krebszellen erkennen können. Werden die veränderten T-Zellen dem Patienten zurückgeführt, sollen sie im Idealfall die Krebszellen erkennen und bekämpfen“, beschreibt Valentino De Leo den Therapieansatz. Bei der Immuntherapie mit CAR-T-Zellen wurden in klinischen Studien allerdings zum Teil schwere Nebenwirkungen beobachtet. Valentino De Leo arbeitet daher insbesondere an Strategien, die Therapie sicherer zu machen. Marie Groth ist als naturwissenschaftliche Doktorandin im Team von Professor Stefan Fröhling. „Ich forsche an einer seltenen Tumorart an der Wirbelsäule, den Chordomen. In Laborversuchen habe ich in den letzten Jahren viele Gene in dieser Krebsart ausgeschaltet, um zu schauen, welche von ihnen wirklich einen Effekt auf das Tumorwachstum haben.“

Marie Groth hat in Freiburg Molekularmedizin studiert, bevor sie nach Heidelberg in das Team von Fröhling kam. Der Leiter der Arbeitsgruppe „Molekulare und Zelluläre Onkologie“ und kommissarischer geschäftsführender Direktor am NCT Heidelberg, fragte sie, ob sie Chordome untersuchen wolle. Inzwischenist der Abschluss ihrer Forschungsarbeit schon greifbar. Im Frühjahr 2019 möchte sie ihre Doktorarbeit abschließen. Viele Stunden hat sie seitdem im Labor mit Experimenten verbracht. Im Gespräch macht sie deutlich, wie viel Disziplin die Arbeit im Labor erfordert. Bevor es überhaupt losgehen kann, braucht es vor allem einen Plan: Welche Experimente sind notwendig? Wie viel Zeit gilt es einzuplanen? Zu welchen Ergebnissen führen die Versuche? Zudem reicht es nicht, ein Experiment nur einmal durchzuführen. Drei Durchgänge sind nötig, um sicher sein zu können, dass ein Ergebnis kein Zufall war. Die Doktorandin behält den Überblick, weil sie neben einem langfristigen Projektplan auch für jede Labor-Woche einen Plan für ihre Experimente erstellt. Die Vormittage verbringt sie meistens in der Zellkultur. Am Nachmittag wertet sie die Experimente aus und dokumentiert sie in einem Laborbuch.

Der dritte Doktorand im Bunde, Gregor Grill, gehört seit einigen Monaten dem Team um Fröhling und Professor Claudia Scholl an. Der gebürtige Österreicher kam gleich nach der Schule im österreichischen Zivildienst zur Medizin. Als Rettungssanitäter hat ihn ein besonders motivierter Kollege, der bereits einen Studienplatz für Medizin in Aussicht hatte, mit seiner Faszination angesteckt. Für die Onkologie hat sich Gregor Grill dann bei einem Praktikum in einem kleinen Krankenhaus in Österreich entschieden: „Die Krebs medizin ist ein spannendes Feld, das sich schnell weiterentwickelt. Neben der wissenschaftlichen Arbeit bin ich aber auch gerne in der Patientenversorgung tätig und mag den Umgang mit den Menschen.“

Trotz Disziplin, Konsequenz und Ausdauer, die es für eine Doktorarbeit braucht, sind sie keine Einzelgänger. „Als Einzelkämpfer wäre man fehl am Platz“, das hatte schon Valentino De Leo bestätigt. Neben regelmäßigen, meist wöchentlichen Labormeetings berichtet Marie Groth von einer Doktoranden-Initiative in ihrer Arbeitsgruppe: „Wir haben in unserem Labor eine PhD-Hour eingeführt, bei der sich nur Doktoranden treffen und einmal die Woche über die Projekte sprechen. Das ist ein bisschen freier als im Lab-Meeting, wo auch die Chefs drinsitzen.“ Und auch Gregor Grill hat sehr schnell festgestellt, dass es unmöglich ist, Krebsforschung komplett alleine durchzuziehen. „Man braucht immer Leute, mit denen man sich austauschen kann, die noch mal mitdenken oder ab und zu korrigieren.“, sagt Grill.

In Kürze werden alle drei Doktoranden vor allem viel am Schreibtisch sitzen, ihre Ergebnisse in den Computer tippen und diese in einer Prüfung verteidigen. Eine Doktorarbeit ist ein Langzeitprojekt und birgt für jeden Doktoranden auch Höhen und Tiefen. Promovierende sind daher vor allem auch mutig: mit ihrem Forschungsthema begeben sie sich in der Regel auf unbekanntes Terrain, setzen sich immer wieder neuen Situationen aus und gehen Risiken ein. Die Ergebnisse ihrer Arbeit sind oft nicht vorhersehbar und trotzdem oder gerade deshalb unendlich wertvoll. Denn sie liefern neue Bausteine für die Krebsforschung.


Der Text erschien zuerst im NCT-Magazin Connect 2_2018, Autorin: Jana Stahl.