""
vom 30.04.2021

Tag der Hautgesundheit am 1. Mai: Immunzellen gegen Melanomzellen

Ein Impfstoff für Patienten mit fortgeschrittenem schwarzem Hautkrebs? Erste Studienergebnisse mit einer mRNA-Vakzine sind vielversprechend: Der Impfstoff ist gut verträglich und aktiviert Immunzellen, wenn andere Medikamente versagt haben. Prof. Dr. Jessica Hassel hat zusammen mit Forscherkollegen aus Mainz, Mannheim und Frankfurt den Impfstoff getestet.

NCT-Magazin Connect Online-First

Therapeutische Impfung beim schwarzen Hautkrebs

Immunzellen gegen Melanomzellen
An schwarzem Hautkrebs (dem sogenannten malignem Melanom) erkranken jährlich in Deutschland mehr als 23.000 Menschen (Zahl von 2016). Trotz Operation und verschiedenen, mittlerweile auch sehr erfolgreichen medikamentösen Therapien schreitet die Erkrankung bei manchen Patienten weiter fort. Für Patienten mit diesem fortgeschrittenen metastasierten Melanom haben Wissenschaftler einen therapeutischen Impfstoff entwickelt, genannt FixVac (BNT111). „Diesen mRNA-Impfstoff haben wir auch hier in Heidelberg an Patienten untersucht“, erklärt Prof. Dr. Jessica Hassel. Die Hautärztin leitet die Sektion für DermatoOnkologie der Hautklinik des Universitätsklinikums und Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg.

Was ist ein mRNA-Impfstoff, und wie funktioniert er?
Im Gegensatz zu einer vorbeugenden Schutzimpfung, die das Immunsystem trainiert, künftige Krankheitserreger zu bekämpfen, hat eine therapeutische Impfung zum Ziel, gegen bereits im Körper vorhandene „Gegner“ vorzugehen. Beim Melanom sind das die Tumorzellen. Dazu wird dem Patienten „messenger RNA“ (Boten-Ribonukleinsäure) gespritzt. Die mRNA dient als Vorlage für die Herstellung eines Proteins, das vorrangig in Tumorzellen vorkommt und eine Immunreaktion im Körper auslöst.

„Der mRNA-Impfstoff wird vorwiegend in der Milz aufgenommen“, erklärt Hassel. „Dort befinden sich viele Immunzellen –zum Beispiel viele dendrititsche Zellen, die die verabreichte mRNA aufnehmen.“ Diese Zellen werden durch eine Bindung an sogenannte Toll-like-Rezeptoren aktiviert, produzieren dann die von der mRNA kodierten Peptide (kleine Proteinstücke) und präsentieren diese als Antigene auf ihrer Zelloberfläche. Die präsentierten Antigene aktivieren T-Zellen, die im Körper zirkulieren und dann melanomspezifische Zellen erkennen, die die gleichen Antigene auf ihrer Oberfläche präsentierten. Die aktivierten T-Zellen erkennen diese Melanomzellen nicht nur, sondern helfen auch dabei, diese Tumorzellen zu zerstören. Das Immunsystem lernt also, gegen solche Antigen-tragenden Tumorzellen vorzugehen.

„Als Antigene wurden vier – schon lange bekannte – ‚Cancer Testis Antigens‘ ausgewählt, die in Krebs- und Hodenzellen zu finden sind. Der Hoden ist gut gegen das Immunsystem abgeschirmt, daher erwarteten wir dort wenig Nebenwirkungen“, berichtet Hassel. Diese vier Antigene sind nicht mutiert, und sie werden häufig von Melanomzellen, aber nicht von gesunden Zellen (außer Hodenzellen) gebildet.
Die mRNA als Impfstoff hat allerdings einen Nachteil: Sie wird schnell abgebaut. Daher hat die beteiligte Firma BioNTech eine Lipidhülle entwickelt. Diese liposomale RNA ist ein Nanopartikel, der intravenös verabreicht werden kann.
Wissenschaftler der Unikliniken Heidelberg, Mainz, Mannheim und Frankfurt haben nun in der Lipo-MERIT-Studie die Verträglichkeit dieser Vakzines untersucht – bei bisher insgesamt 119 Patienten mit metastasiertem Melanom, die bereits alle zugelassenen Therapien erhalten hatten und deren Hautkrebs trotzdem fortgeschritten ist. Die Studie läuft seit über 5 Jahren: „In Heidelberg wurde im Oktober 2015 der erste Patient aufgenommen“, so Hassel. „Allein in Heidelberg haben wir mehr als ein Drittel der Patienten der Studie behandelt, nämlich 44“, sagt die Hautärztin. In die Studie aufgenommen wurden nur solche Patienten, in deren Krebszellen mindestens eines der vier Antigene zu finden ist.
Es handelt sich bei dieser Untersuchung um eine klinische Studie der Phase 1 „first in human“– also eine Studie, bei der die maximal verträgliche Dosis gefunden werden soll und die Verträglichkeit des Impfstoffs getestet wird. Vor Kurzem wurden die Zwischenergebnisse mit 89 Patienten in der Wissenschaftszeitschrift „Nature“ veröffentlicht.

Wichtigste Zwischenergebnisse der Studie
„Zuerst: Der mRNA-Impfstoff ist gut verträglich. Die häufigsten Nebenwirkungen waren vorübergehend Fieber und Schüttelfrost, die als Wirkungen der Immunreaktion angesehen werden“, erklärt Hassel. Auch Blutdruckabfall wurde bei einigen Patienten beobachtet, der als Infusionsreaktion gilt.
„Und: Im Blut konnten spezifische Immunreaktionen nach der Impfung nachgewiesen werden.“ Die Vakzine FixVac führt zu einer Neubildung oder zu einer Expansion bereits vorhandener zirkulierender Tumorantigen-spezifischer CD4+ und CD8+ T-Zellen im peripheren Blut.
Überraschend an der Studie ist für Hassel, dass nichtmutierte Antigene wirken. „Derzeit laufen auch Studien mit anderen Impfstoffen. Diese verwenden mutierte Antigene, sogenannte Neoantigene“, so Hassel. In Zukunft wird sich zeigen, welcher Ansatz bei welchem Tumor besser geeignet ist.

Die Forscher analysierten auch die Wirksamkeit des Impfstoffs alleine sowie in Kombination mit einem PD-1 Antikörper. „Allerdings sind diese Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren, da es sich um eine Phase-1-Studie handelt – zum Testen der Verträglichkeit und nicht der Wirksamkeit – auch da die Patienten nicht zufällig einer von zwei Therapiegruppen zugeteilt wurden, d.h. die Studie nicht randomisiert ist“, betont Hassel.
Die Forscher untersuchten die Wirksamkeit bei einer Untergruppe von 42 Patienten mit messbarer Melanomerkrankung, die bereits mit Checkpoint-Hemmstoffen behandelt worden waren. Diese Medikamente (therapeutische Antikörper) lösen bestimmte „Bremsen“ im Immunsystem, so dass T-Zellen wieder aktiviert werden und Tumorzellen angreifen können.

25 Patienten erhielten die mRNA-Impfung als Monotherapie, 17 Patienten eine Kombinationstherapie aus Impfung plus Therapie mit einem Checkpoint-Inhibitor (Anti-PD1). „Bei den mit der Kombination behandelten Hautkrebs-Patienten haben wir eine besonders gute Immunreaktion im Blut festgestellt. Sie zeigten bessere klinische Verläufe, das bedeutet: Die Krankheit konnte stabilisiert werden“, berichtet Hassel.
 „Mit einer Erhaltungsdosis der Vakzine werden immer noch Patienten behandelt. Wir wissen nicht, ob die Patienten diese noch brauchen; aber solange sie den Impfstoff vertragen, werden sie weiterbehandelt, wenn sie das möchten.“

Derzeit bereiten die Forscher eine klinische Studie der Phase 2 vor. Voraussichtlich werden in dieser Studie dann Patienten in einer weniger fortgeschritten Situation behandelt. „Bisher haben wir mit der mRNA-Vakzine Patienten behandelt, die schon mehrere Medikamente erhalten hatten, die aber alle versagt haben. Ich vermute, wir müssen den Impfstoff frühzeitiger im Krankheitsverlauf geben: je früher, desto besser.“
Möglicherweise könnte auch eine Kombination wirksam sein, vermutet Hassel: „Zuerst könnten wir Melanompatienten die Vakzine verabreichen – und damit das Immunsystem boostern und T-Zellen aktivieren –, dann z.B. den Checkpoint PD1 blockieren, um damit die ‚Bremse‘ im Immunsystem zu lösen.“

Die Erfahrungen mit dieser Melanom-Vakzine wurden auch genutzt, um eine Corona-Vakzine zu entwickeln – mit aktuell sehr vielversprechenden Ergebnissen.

Autorin: Maren Schenk

Weiterführende Links
Terminvereinbarung für Hautkrebspatienten