NCT Heidelberg
vom 09.07.2020

Der europäische Weg zur personalisierten Onkologie: Krebsforscher entwickeln eine webbasierte Anwendung zur Interpretation komplexer Daten

Die zunehmende Anzahl von Biomarkern macht die Entscheidungsfindung für eine Krebsbehandlung komplexer. Eine neue webbasierte Plattform kombiniert nun Methoden der Bioinformatik mit dem Zugang zu mehreren Datenbanken. Mediziner können so schneller die Ergebnisse aus der Tumordiagnostik interpretieren, Therapieempfehlungen oder den Einschluss in eine klinische Studie ableiten. Wissenschaftler des Cancer Core Europe, einem Zusammenschluss von sieben europäischen Krebszentren, darunter das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg zusammen mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), haben diese computergestützte Plattform entwickelt und auf diese Weise bereits mehr als 500 Tumorproben analysiert.

Das webbasierte Programm „Molecular Tumor Board Portal“ wurde am Karolinska Institut und SciLifeLab zusammen mit klinischen Forschern aus den sieben europäischen Krebszentren des Cancer Core Europe aufgesetzt. Die Computeranwendung verbindet bioinformatische Methoden, um die biologische Relevanz genetischer Varianten im Tumorgewebe zu bestimmen, mit mehreren Datenbanken, unter anderem zu laufenden klinischen Studien. Inzwischen wurden mehr als 500 Tumorproben mit dem System ausgewertet. Die Gewebeproben stammen von Patienten, die in die sogenannte Basket of Baskets-Studie eingeschlossen wurden. Die mehrarmige europaweite Studie hat sich zum Ziel gesetzt die genetischen Merkmale von Krebspatienten zu untersuchen, die auf Standardtherapien nicht ansprechen.

„Mit der digitalen Anwendung wollen wir Kliniker in einem zunehmend komplexen Entscheidungsumfeld unterstützen. In vielen Fällen ist heute der Einsatz vielfältiger Datenbanken und Computerprogramme erforderlich, die nicht immer einfach zu bedienen sind", erklärt Rodrigo Dienstmann, leitender Forscher der Vall d'Hebron Oncology Data Science Group. Da die Zahl der molekularen Biomarker wächst, wird die Nutzung von Spitzentechnologien immer notwendiger, um die Interpretation von Erbgutdaten zu erleichtern und die Behandlungsplanung zu verbessern.

Die Website „Molecular Tumor Board Portal“ wird derzeit vom Kooperationsnetzwerk Cancer Core Europe genutzt. Sie bietet eine Plattform für den sicheren Austausch von Ergebnissen durch personalisierte Berichte, die umfassende molekulare Informationen über den Tumor jedes Patienten enthalten. Bei diesen Berichten handelt es sich um interaktive, datenreiche Dokumente, die wöchentlich in virtuellen Sitzungen mit Vertretern der multidisziplinären Teams der Zentren im Cancer Core Europe diskutiert werden. „Aus der Sicht der Onkologen hat dieses System die Art und Weise, wie wir arbeiten, verändert. Das Portal bietet Zugang zum aktuellsten Wissen über die für jeden Patienten relevanten Tumormutationen und bietet die Möglichkeit, Fälle mit Experten aus den sieben Zentren in einer kooperativen Weise zu diskutieren", sagt Dienstmann.

Krebsforscher außerhalb des CCE steht eine Open-Access-Version des Programms unter https://mtbp.org zur Verfügung. „Die Website leistet einen wichtigen Beitrag, um Forschungsergebnisse im klinischen Alltag nutzbar zu machen und Menschen, die aufgrund ihrer Erkrankung auf schnelle Entscheidungen angewiesen sind, besser helfen zu können“, sagt Stefan Fröhling, Geschäftsführender Direktor am NCT Heidelberg.

Originalpublikation
D. Tamborero, R. Dienstmann et al. (2020) Support systems to guide clinical decision-making in precision oncology: The Cancer Core Europe Molecular Tumor Board Portal. Nature Medicine. https://www.nature.com/articles/s41591-020-0969-2

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Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg
Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD), der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg und der Deutschen Krebshilfe. Ziel des NCT ist es, vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung möglichst schnell in die Klinik zu übertragen und damit den Patienten zugutekommen zu lassen. Dies gilt sowohl für die Diagnose als auch die Behandlung, in der Nachsorge oder der Prävention. Die Tumorambulanz ist das Herzstück des NCT. Hier profitieren die Patienten von einem individuellen Therapieplan, den fachübergreifende Expertenrunden, die sogenannten Tumorboards, erstellen. Die Teilnahme an klinischen Studien eröffnet den Zugang zu innovativen Therapien. Das NCT ist somit eine richtungsweisende Plattform zur Übertragung neuer Forschungsergebnisse aus dem Labor in die Klinik. Das NCT kooperiert mit Selbsthilfegruppen und unterstützt diese in ihrer Arbeit. Seit 2015 hat das NCT Heidelberg in Dresden einen Partnerstandort. In Heidelberg wurde 2017 das Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) gegründet. Die Kinderonkologen am KiTZ arbeiten in gemeinsamen Strukturen mit dem NCT Heidelberg zusammen.

Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können.
Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern.
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD)
Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 13.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit fast 2.000 Betten werden jährlich rund 80.000 Patienten voll- und teilstationär und mehr als 1.000.000-mal Patienten ambulant behandelt. Gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum und der Deutschen Krebshilfe hat das Universitätsklinikum Heidelberg das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg etabliert, das führende onkologische Spitzenzentrum in Deutschland. Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit studieren ca. 3.700 angehende Ärztinnen und Ärzte in Heidelberg.

Cancer Core Europe (CCE)
Cancer Core Europe (CCE) ist ein Zusammenschluss von sieben führenden europäischen Krebszentren, die Forschung mit der Patientenversorgung verbinden. CCE wurde 2014 gegründet, um die Entwicklung innovativer Krebstherapien durch enge Zusammenarbeit in der translationalen und klinischen Forschung zu beschleunigen. Die sieben Mitgliedszentren behandeln zusammen jährlich etwa 350.000 Patienten.