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vom 15.11.2019

Präzisionsonkologie: Wann ist eine personalisierte Therapie erfolgreich?

Die genetische Analyse des Tumorgewebes ermöglicht es heute, maßgeschneiderte Therapien für individuelle Tumorerkrankungen zu identifizieren. So vielversprechend diese personalisierten Behandlungsempfehlungen sind, umso schwieriger aber auch die Beurteilung, wann eine solche Therapie erfolgreich ist.

Eine Herausforderung bei der Planung klinischer Studien ist es, passende Zielkriterien zu definieren, sogenannte klinische Endpunkte, deren Bewertung über den Erfolg oder Misserfolg einer Studie entscheidet. Endpunkte sind daher immer klar definierte Parameter, wie etwa das Gesamtüberleben. Goldstandard in der medizinischen Forschung ist die randomisierte kontrollierte Studie. Es ist das beste Studiendesign, um bei einer klaren klinischen Fragestellung eine eindeutige Aussage zu erhalten.

„Bestehende statistische Konzepte und klinische Endpunkte wurden bereits in den 90er Jahren entwickelt und sind Grundlage der evidenzbasierten Medizin. Für Studien im Bereich der Präzisionsonkologie stoßen diese Konzepte allerdings an ihre Grenzen, “ erläutert Ko-Studienleiter Peter Horak, Oberarzt und Wissenschaftler am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg. Eine solche Studie der Präzisionsonkologie ist das NCT/DKTK MASTER-Programm (preview.nct-heidelberg.de/master). Hier erbringt die Analyse individueller Tumoren einzigartige molekulare Profile, die wiederum zu vielfältigen Therapieempfehlungen führen. Dadurch ist es nicht möglich, eine ausreichend große Zahl an „ähnlichen“ Patienten zu erreichen, um den Vorgaben einer randomisierten Studie zu entsprechen. Auch ist die Gabe eines sogenannten Placebos, also eines Scheinmedikaments ohne pharmakologische Wirkung als Kontrollsubstanz, wie in randomisierten Studien üblich, bei Studiendesigns der Präzisionsonkologie in einer fortgeschrittenen Erkrankungssituation aus ethischen Gründen nicht möglich.

Wann ist dann aber eine Therapie erfolgreich, wenn sie nicht dem üblichen Studiendesign und den Kriterien einer randomisierten Studie entspricht? „Für uns lag es auf der Hand, dass wir nur dann einen besseren klinischen Endpunkt entwickeln können, wenn wir die Einschätzung von möglichst vielen klinischen Kollegen in das neue Konzept miteinbeziehen“, erklärt Ko-Studienleiter Andreas Mock, Arzt und Wissenschaftler am NCT Heidelberg und im Deutschen Krebskonsortium (DKTK). Das Team der Abteilung für Translationale Medizinische Onkologie um Stefan Fröhling, kommissarischer Geschäftsführender Direktor des NCT Heidelberg, hat hierzu insgesamt 100 onkologisch tätige Ärzte aus ganz Deutschland an diesem Projekt beteiligt. Jeder Teilnehmer hatte hierbei die Aufgabe, 194 Patientenfälle der Präzisionsonkologie hinsichtlich Ihres Therapieansprechens zu beurteilen.

„Die Einschätzungen von mehr als 70 Prozent aller Befragten stimmten nicht mit dem bisher am häufigsten verwendeten klinischen Endpunkt, der sogenannten Ratio von progressionsfreien Überlebenszeiten überein, was uns die Notwendigkeit einer Anpassung verdeutlichte,“ betont Fröhling. Basierend auf der Beurteilung der 100 Ärzte erarbeiteten die Autoren eine modifizierte Ratio von progressionsfreien Überlebenszeiten (mPFSr). „Anhand dieses Leitfadens ist es uns möglich, den Erfolg von molekular zielgerichteten Therapien präziser abzubilden, und wir sind zuversichtlich, durch den Einsatz der mPFS die Aussagekraft zukünftiger präzisionsonkologischer Studien verbessern zu können,“ sagt Andreas Mock.

Originalpublikation
Mock A, Heilig CH, Kreutzfeldt S, Hübschmann D, Heining C, Schröck E, Brors B, Stenzinger A, NCT/DKTK MASTER Network, Jäger D, Schlenk RF, Glimm H, Fröhling S, Horak P. (2019) Community-driven development of a modified progression-free survival ratio for precision oncology.
ESMO Open. http://dx.doi.org/10.1136/esmoopen-2019-000583