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vom 02.03.2018

Immuntherapie aus der Krebszelle

Therapieansätze, die sich die Körperabwehr zu Nutze machen, gewinnen in der Krebsbehandlung zunehmend an Bedeutung. Zu diesen neuen Verfahren gehören auch bispezifische Antikörperfragmente, sogenannte "BiTEs". Sie verbinden T-Zellen mit den Tumorzellen und können dadurch den programmierten Zelltod der Krebszelle auslösen. BiTEs sind bislang nur bei wenigen Blutkrebsarten erfolgreich und die Behandlung ist teilweise mit schweren Nebenwirkungen verbunden. Forscher des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg, des Deutschen Krebsforschungszentrums und des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) haben nun erstmals mit Hilfe von Masern-Viren BiTEs durch die Krebszellen selbst produzieren lassen. Sie konnten so die Wirksamkeit für solide Tumoren steigern und das Verfahren sicherer machen.

Das NCT Heidelberg ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) und der Deutschen Krebshilfe.


Künstlich hergestellte Antikörper, sogenannte BiTEs ("bispecific T cell engagers"), bestehen aus den Bindungsregionen zweier Antikörper, die jeweils unterschiedliche Zielstrukturen "erkennen". Eine der beiden Bindungsstellen bleibt bei allen BiTEs gleich und ist für das Eiweiß CD3 reserviert, das auf T-Zellen vorkommt. Die zweite Bindungsregion wird variiert und ist tumorspezifisch. Durch die BiTE-vermittelte Verbindung wird die T-Zelle zur Tumorzelle gelenkt und löst in den Krebszellen den programmierten Zelltod aus.

"Gegen bestimmte Formen von Leukämie sind solche BiTE-Antikörper wirksam, jedoch bislang nicht gegen solide Tumore wie zum Beispiel Haut- oder Darmkrebs", berichtet Christine Engeland, Krebsforscherin am NCT Heidelberg. "Außerdem müssen BiTEs bisher als Dauerinfusion verabreicht werden. Dabei können schwerwiegende, teilweise lebensbedrohliche Nebenwirkungen auftreten." Die Wissenschaftler der Arbeitsgruppe Virotherapie von Guy Ungerechts am NCT Heidelberg haben nun einen Ansatz gefunden, um die BiTE-Behandlung sicherer zu machen und den Erfolg bei der Behandlung solider Tumore zu steigern. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift "Clinical Cancer Research" publiziert.

Die Forscher verwendeten in Mausexperimenten abgeschwächte Masern-Viren, die keine Krankheit auslösen, aber sich in Tumorzellen vermehren. Diese Viren wurden so ausgestattet, dass die BiTE-Antikörperfragmente in den Krebszellen selbst gebildet werden. "Der Vorteil des Verfahrens ist, dass hierbei keine BiTEs in die Blutbahn gelangen und dadurch Nebenwirkungen vermieden werden. Außerdem stimuliert die Virus-Vermehrung im Tumor das körpereigene Immunsystem. Es macht die Abwehr sozusagen auf den Krebs aufmerksam", erklärt Engeland. Ihre Doktoranden Tobias Speck und Johannes Heidbüchel konnten zudem an Mäusen nachweisen, dass eine Behandlung mit BiTE-Viren von Haut- und Darmkrebs das Überleben signifikant verlängern und bei einigen Tieren sogar eine Heilung erzielen kann. Darüber hinaus wurden keinerlei Anzeichen einer Toxizität gefunden. "Wir hoffen, dass das neue Therapiekonzept eine effektive Strategie auch in der Behandlung von Tumoren im Menschen darstellt", kommentiert die Krebsforscherin Engeland. Weitere dafür erforderliche Untersuchungen wollen die Wissenschaftler noch in diesem Jahr beginnen.

Speck T, Heidbuechel JPW, Veinalde R, Jaeger D, von Kalle C, Ball CR, Ungerechts G, Engeland CE (2018) Targeted BiTE expression by an oncolytic vector augments therapeutic efficacy against solid tumors. Clin Cancer Res. 2018 Feb 6. pii: clincanres.2651.2017. DOI: 10.1158/1078-0432.CCR-17-2651.

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BU: Wirkungsweise der BiTE-Therapie mit Masern-Viren.
Modifizierte Masern-Viren (grün) infizieren Tumorzellen (hellblau), vermehren sich darin und zerstören sie (grau). Gleichzeitig produzieren die infizierten Tumorzellen sogenannte BiTEs. Diese künstlichen Moleküle bestehen aus zwei Antikörperfragmenten (gelb/blau, Bildausschnitt), die an CD3 auf T-Zellen (gelb) und an Oberflächenstrukturen auf Tumorzellen binden (blau). Durch diese Verbindung werden T-Zellen (violett) der körpereigenen Immunabwehr auf Tumorzellen "umgelenkt" und zerstören sie.

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Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg
Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Heidelberg, der Medizinischen Fakultät Heidelberg und der Deutschen Krebshilfe. Ziel des NCT ist es, vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung möglichst schnell in die Klinik zu übertragen und damit den Patienten zugutekommen zu lassen. Dies gilt sowohl für die Diagnose als auch die Behandlung, in der Nachsorge oder der Prävention. Die Tumorambulanz ist das Herzstück des NCT. Hier profitieren die Patienten von einem individuellen Therapieplan, den fachübergreifende Expertenrunden, die sogenannten Tumorboards, zeitnah erstellen. Die Teilnahme an klinischen Studien eröffnet den Zugang zu innovativen Therapien. Das NCT ist somit eine richtungsweisende Plattform zur Übertragung neuer Forschungsergebnisse aus dem Labor in die Klinik. Das NCT kooperiert mit Selbsthilfegruppen und unterstützt diese in ihrer Arbeit. In Dresden wird seit 2015 ein Partnerstandort des NCT Heidelberg aufgebaut.

Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) klären Betroffene, Angehörige und interessierte Bürger über die Volkskrankheit Krebs auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg eingerichtet, in dem vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik übertragen werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren.

Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg
Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 13.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit fast 2.000 Betten werden jährlich rund 65.000 Patienten vollstationär, 56.000 mal Patienten teilstationär und mehr als 1.000.000 mal Patienten ambulant behandelt. Gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum und der Deutschen Krebshilfe hat das Universitätsklinikum Heidelberg das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg etabliert, das führende onkologische Spitzenzentrum in Deutschland. Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit studieren ca. 3.700 angehende Ärztinnen und Ärzte in Heidelberg.