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vom 10.05.2020

10. Mai ist Welteierstockkrebstag: Fünf Fragen an…

In der Bevölkerung ist Eierstockkrebs häufig unbekannt. Aus diesem Grund organisiert die Deutsche Stiftung Eierstockkrebs jährlich einen Aktions- und Informationstag rund um dieses Thema. Wir laden Sie ein sich im Livestream ab 10:00 Uhr der Deutschen Stiftung für Eierstockkrebs zu informieren: www.stiftung-eierstockkrebs.de. Den Aktionstag zum Anlass genommen, haben wir einer Ärztin des NCT Heidelberg und einer betroffenen Patientin fünf Fragen gestellt.

Im Gespräch mit Dr. Laura Michel

Oberärztin in der Sektion Gynäkologische Onkologie am NCT Heidelberg

Wie häufig ist Eierstockkrebs?

Jedes Jahr sind in Deutschland ca. 7500 Frauen neu betroffen. Somit erkrankt etwa 1 von 72 Frauen im Laufe ihres Lebens an Eierstockkrebs.

Wie wird Eierstockkrebs festgestellt?

Eierstockkrebs verläuft anfänglich leider häufig ohne Symptome und wird deshalb oft erst spät erkannt. Hinweise darauf, dass eine Frau möglicherweise an Eierstockkrebs erkrankt ist, können sich bei einer gynäkologischen Untersuchung oder durch vorhandene Symptome ergeben. Wird im Ultraschall eine Veränderung der Eierstöcke feststellt, muss das nicht zwangsläufig heißen, dass die Erkrankung bösartig ist. Je nach Befund kann eine weitere Abklärung mittels zusätzlicher Bildgebung oder einer diagnostischen Operation erforderlich sein. Bei einer Operation kann Gewebe entnommen und weiter untersucht werden. Erst so kann in aller Regel eine endgültige Diagnose gestellt werden. Nicht jede Veränderung der Eierstöcke erfordert jedoch eine sofortige weitere Abklärung. Oftmals ist eine Ultraschallkontrolle im Verlauf ausreichend. Wichtig ist stets die frühe Anbindung an ein gynäkologisches Krebszentrum.

Gibt es Früherkennungsuntersuchungen?

Mehrere große randomisierte Studien konnten bislang keine Verbesserung der krankheitsbedingten Sterberate des Ovarialkarzinoms durch jährliche Ultraschallkontrollen oder die Bestimmung des Tumormarkers CA125 nachweisen. Eine jährliche gynäkologische Krebsfrüherkennungsuntersuchung die u.a. eine Tastuntersuchung des inneren Genitals beinhaltet, sollte generell bei allen Frauen ab dem 20. Lebensjahr erfolgen.

Wie wird Eierstockkrebs behandelt?

Um die Diagnose zu sichern, erfolgt meist zuerst die operative Entfernung des befallenen Eierstocks. Das Gewebe wird in der Pathologie näher untersucht. Bestätigt sich der Verdacht auf Eierstockrebs, erfolgt je nach Ausbreitung und Tumorbiologie die Entfernung des zweiten Eierstocks  inklusive der Eileiter, die Entfernung der Gebärmutter, des Bauchnetz sowie ggf. die Entfernung bestimmter Lymphknoten. Wichtigstes Ziel der Operation ist es, den Tumor komplett zu entfernen. Teilweise müssen hierzu auch weitere Strukturen, zum Beispiel befallene Teile des Darms entfernt werden. Meistens erfolgt im Anschluss an die Operation eine Chemotherapie. Diese soll eventuell im Körper verbliebene Krebszellen angreifen. Die Standardtherapie besteht hier aus einer Kombinationstherapie (Carboplatin und Paclitaxel) die im Abstand von drei Wochen sechsmal verabreicht werden. Im fortgeschrittenen Stadium kann die Chemotherapie durch den Antikörper Bevacizumab ergänzt werden. Anschließend wird der Antikörper als Erhaltungstherapie über insgesamt 15 Monate gegeben.

Liegt bei einer Patientin ein erblicher Eierstockkrebs mit einer Mutation in den Hochrisikogenen BRCA- 1 oder 2 vor, so kann im Anschluss an die Chemotherapie bei fortgeschrittenem Tumorstadium eine Erhaltungstherapie mit einem PARP Inhibitor über zwei Jahre erfolgen.

Was ist bei Kinderwunsch zu beachten?

Wenn erkrankte Frauen sich ein Kind wünschen, muss im individuellen Fall sehr sorgfältig geprüft werden, ob bei der chirurgischen Entfernung des Tumors die Fertilität erhalten werden kann. Eine fertilitätserhaltende Operation ist nur bei sehr frühen Tumorstadien und wenig aggressiver Tumorbiologie anzuraten. In diesem Fall wird nur ein Eierstock entfernt, der zweite Eierstock, der Eileiter sowie die Gebärmutter bleiben intakt.

Im Gespräch mit Valentine Seyfarth

Patientin

Wie wurde die Erkrankung Eierstockkrebs bei Ihnen festgestellt?

Im Juni 2017 verspürte ich im Schwimmbad ein leichtes Ziehen im Unterleib, ähnlich wie bei meinen Tagen vor dem Einsatz meiner Hormonspirale. Ich dachte mir dabei weiter nichts und nahm mir nur vor meine Frauenärztin beim nächsten Termin, der bereits zwei Wochen später anstand, hierauf anzusprechen. Meine Frauenärztin ertastete etwas und gab mir eine Überweisung für ein MRT des Unterbauchs mit. Blut wurde mir an diesem Morgen bereits beim Hautarzt abgenommen. Sie ließ in der Hautarztpraxis anrufen und bat um die Bestimmung des Tumormarkers im bereits abgenommen Blut. Derweil telefonierte ich alle Radiologen ab. Am 10. Juli rief mich meine Ärztin bei der Arbeit an und teilte mir mit, dass der Tumormarker stark erhöht sei. Jetzt hatte ich Angst. An meine Arbeit konnte ich nicht mehr denken. Ich ging nach Hause und lies mich krankschreiben.
Der MRT Befund ergab einen großen, expansiv wachsenden, gut vaskularisierten Tumor, größer als zehn Zentimeter mit Beteiligung beider Ovarien. Nach telefonischer Rücksprache mit meiner Frauenärztin stand ich bereits am nächsten Tag in der Frauenklinik. Hier bekam ich am 17. Juli einen Termin zur Vorstellung. Von meiner Frauenärztin wusste ich bereits, dass der Tumor und große Teile meines Unterbauchs schnellstens entfernt werden sollten. Die Info, welche Art der Befund ist, gut- oder bösartig, wird erst im Rahmen einer OP mit einer Gewebeprobe bestimmt werden können. Für den 17. August wurde der Operationstermin vereinbart. Die Zeit bis zu dem Termin nutzte ich mit dem Sammeln positiver Energie, allein im Wald oder mit meinen beiden Mädels, damals sieben und neun Jahre alt im Schwimmbad.

Welche Behandlungen waren erforderlich?

Erst am Tag vor der Operation erfuhr ich beim Aufklärungsgespräch, dass nicht nur ein kleiner, sondern auch ein großer Bauchschnitt in Frage kommen könnte. Nach siebenstündiger OP und fast neunstündiger Narkose bin ich wieder zum Bewusstsein gekommen. Ich fühlte mich wie ein Käfer, der auf dem Rücken liegt und dessen Bauch komplett ausgehöhlt ist.

Bei der Visite am nächsten Morgen war die Diagnose eindeutig: gering differenziertes, seriöses Adenokarzinom der rechten Tube. In Laiensprache ausgedrückt: schnell wachsender Eileiterkrebs, Anfang dritten Stadiums, der bereits über die Lymphknoten gestreut hatte, Tumor frei operiert. Keine zwei Stunden später stand eine Psychologin an meinem Bett, um mich seelisch zu unterstützen. Zu allem Überfluss hatte ich durch die Operation einen Infarkt am rechten Auge. Mein Blickfeld hatte sich halbiert.
Im Anschluss an die Operation erfolgte von Ende September bis Februar eine Chemotherapie mit sechs Mal Carboplatin / Paclitaxel. Vor der Rückkehr ins Berufsleben bekam ich eine dreiwöchige Reha verordnet.

Wie sind Sie mit der Diagnose umgegangen?

Bis zur Operation hatte ich gehofft, nur eine gutartige Zyste zu haben, die entfernt werden muss und auf eine Rückkehr nach sechs Wochen Erholung in mein altes Leben. Doch dann hatte ich Krebs und auf einmal Angst um mein Leben, Angst wie ich es schaffen sollte weiter zu leben, Angst um meine Träume, meine Kinder und meinen Partnern. Ein großer Berg in Form von sechs Mal Chemo und viel Ungewissheit stand vor mir.

Von Beruf bin ich Architektin und arbeite im Bereich Projektleitung. Mein neues Projekt wurde ich nun selber. Ich begann mir Hilfe und Experten zu suchen. Mir war klar, dass eine anstrengende Zeit auf uns als Familie zukommen würde. Mein Ziel war es die Aufgaben und erforderlichen Hilfen auf viele Schultern zu verteilen, um möglichst Gewinn und nicht Last für meine Wegbegleiter zu sein. Ich suchte mir eine Haushaltshilfe zur Unterstützung meiner Familie und im Haushalt. Meine Mutter und meine Freundin Vera begleiteten mich ab sofort abwechselnd zu den vielen Arztterminen. So war ich nie allein mit meiner Unsicherheit und meinen vielen Fragen. Ich hatte immer die Möglichkeit die Termine im Anschluss in den Gesprächen mit meinen Begleiterinnen zu reflektieren. Ich besorgte mir eine Therapeutin, einen Taxifahrer, einen Physiotherapeuten und ergatterte mir einen Platz bei einer guten Augenärztin. Eine tägliche Runde an der frischen Luft in der Natur mit meinem Hund wurde zu meinem Pflichtprogramm. Für die ersten Tage nach jeder Chemo organisierte ich mir an den Vormittagen immer Gesellschaft, sodass ich in den harten Tagen nie alleine war. Durch diese persönlichen Kontakte bekam diese Zeit eine ganz besondere wertvolle Qualität.

Wie geht es Ihnen heute?

Da mir in dieser Zeit klar wurde, nur wenn es mir gut geht, kann ich für andere da sein: für meine Kinder eine liebende Mutter sein, für meinen Partner eine liebende Frau, für meine Freunde eine gute, zuhörende Freundin und in meinem Job, eine lösungsorientierte Kollegien und Geschäftspartnerin. Vor der Krankheit lag mein Schwerpunkt, besonders seit der Geburt der Kinder, auf dem Funktionieren. Je mehr erledigt wurde desto erfolgreicher fühlte ich mich. Heute versuche ich Stress in jeder Form zu vermeiden. Ich gehe alles etwas entspannter, mit mehr Liebe und möglichst ohne Zeitdruck an. Mein neues Lebensmotto ist: „<Sowohl als auch>, ich versuche das eher unangenehme mit dem angenehmen zu verbinden. Ich habe angefangen mehr und mehr meine Träume und Wünsche umzusetzen und zwar sofort. Gerade die Angst, welche die Auseinandersetzung mit der Endlichkeit mit sich bringt, fordert und begleitet mich oft. Sie macht es mir möglich mich immer wieder auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren und vieles was mir früher Sorge bereitete, heute entspannter zu sehen. Ich musste mehr Vertrauen in meine Mitmenschen und das Leben entwickeln, da mir die Kraft alles zu kontrollieren abhandengekommen ist. Derzeit kämpfe ich gegen Corona und der Wunsch mich gesund zu fühlen und in den Alltag zurück zu kehren ist groß. Aber auch hier hilft wieder nur Geduld, um meinem Körper die Zeit zu geben, die er braucht.

Was können Sie Frauen raten, die gerade selber die Diagnose Eierstockkrebs erhalten haben?

Finde Deinen eigenen Weg. Habe Mut und Kraft, Dich mit Dir, Deinem Körper, Deinem Geist und der Krankheit auseinanderzusetzen. Du bist nicht alleine. Viele Menschen teilen dein Schicksal. Lerne Unterstützung und Hilfe anzunehmen.

Informationen der Deutschen Stiftung für Eierstockkrebs

Zum Livestream am Sonntag, 10. Mai 2020: www.stiftung-eierstockkrebs.de

10:00-13:00 Uhr
Vorträge zu aktuellen Entwicklungen bei Eierstock-, Eileiter- & Bauchfellkrebs 
Referenten: Prof. Dr. Jalid Sehouli, Prof. Dr. Ioana Braicu, Dr. Klaus Pietzner

Vorträge zu Tanzen, Sport und Yoga
Referentinnen: Katharina Mayr-Welschlau, Verena Krell, Dr. Claudia Turske
Live-Chat für Fragen 

13:00-14:00 Uhr
Mini- Onlineworkshops zu Tanz & Yoga
Workshopleiterinnen: Katharina Mayr-Welschlau, Dr. Claudia Turske

Informationen des Krebsinformationsdienstes

https://www.krebsinformationsdienst.de/service/iblatt/iblatt-familiaerer-brust-u-eierstockkrebs.pdf

Kontakt für Patientinnen

Gynäkologisches Krebszentrum
bei Tumorerkrankung im Unterleib oder Verdacht, Fragen zur Diagnostik und/oder den Therapiemöglichkeiten
organzentrum@med.uni-heidelberg.de
Telefon: 06221 56-7856
www.klinikum.uni-heidelberg.de/Patienteninformationen.117541.0.html

NCT Patientenzentrum
Systemische Therapien für Brustkrebs und alle gynäkologischen Krebserkrankungen
nct.patientenzentrum@med.uni-heidelberg.de
Telefon: 06221 56-5924
www.nct-heidelberg.de

Sektion Gynäkologische Onkologie am NCT Heidelberg

https://www.nct-heidelberg.de/das-nct/organisation/gynaekologische-onkologie.html

FertiProtekt: Netzwerk für fertilitätsprotektive Maßnahmen

https://fertiprotekt.com