""
vom 14.03.2021

#MyelomaACTIONMonth: Forschung zum Multiplen Myelom

Unter der Leitung der International Myeloma Foundation (IMF) findet jedes Jahr im März der Myeloma Action Month statt, um Einzelpersonen und Gruppen zu ermutigen, sich für die Gesundheit stark zu machen – insbesondere für die Myelom-Community und die Erforschung der Krankheit. Wissenschaftler und Ärzte des NCT Heidelberg, DKFZ und UKHD berichten hier über die aktuelle Myelomforschung und die Aktivitäten der German Speaking Myeloma Multicenter Group (GMMG-Studiengruppe).

NCT-Magazin Connect Online-First

Richtungsweisende klinische Forschung der GMMG-Studiengruppe

Die German Speaking Myeloma Multicenter Group (GMMG) hat sich zum Ziel gesetzt, die Behandlung von Myelompatienten zu verbessern. Eine großangelegte Studie lieferte jetzt wichtige Ergebnisse, die die Therapieempfehlung nachhaltig beeinflussen.

Im Jahr 1996 setzte sich eine Gruppe von deutschen Ärzten und Wissenschaftlern zum Ziel, die Therapiemöglichkeiten für Myelompatienten zu verbessern.  Sie riefen daher eine Studiengruppe ins Leben, die seit 2001 „German Speaking Myeloma Multicenter Group“ heißt, kurz GMMG. „Wir wollten damals – so wie auch weiterhin – die Überlebenszeit und die Lebensqualität von Myelompatienten steigern“, erinnert sich Professor Hartmut Goldschmidt, einer der Gründerväter der GMMG und Sektionsleiter am Myelomzentrum des Universitätsklinikums Heidelberg und des NCTs.  Heute ist die GMMG ein großer, multizentrischer Verbund aus über 120 Kliniken und Praxen an verschiedenen deutschen Standorten.

Die Diagnose „Multiples Myelom“ erhalten in Deutschland jährlich rund 7000 Menschen; die meisten davon in höherem Alter. Bei den Betroffenen sind Immunzellen des Knochenmarks, sogenannte Plasmazellen, krankhaft verändert; sie vermehren sich und verdrängen die gesunden blutbildenden Zellen. Dank innovativer Behandlungsstrategien und neuer Medikamente lässt sich bei einem Teil der Patienten eine Langzeitremission erreichen. „Die Situation war in den 1990er Jahren, der Gründungszeit der GMMG, noch deutlich ungünstiger. Wir wollten das unbedingt ändern“, erzählt Goldschmidt.

In den USA war zu jener Zeit die sogenannten „Total Therapy“, kurz TT, gegen die Erkrankung in den Fokus gerückt. Das Fundament war eine zweimalige hochdosierte Chemotherapie gefolgt von der sogenannten autologen Stammzelltransplantation, bei der den Patienten im Vorfeld entnommene Blutstammzellen wieder zugeführt werden. Darüber hinaus kombinierte die TT erstmals verschiedene neuartige Medikamente.

Der TT-Ansatz verbesserte den Therapieerfolg deutlich, und Goldschmidt und Kollegen konnten ihn 1992 erstmals systematisch in Deutschland am Universitätsklinikum Heidelberg anwenden. Die GMMG half nun dabei, die TT auch an anderen Standorten zu etablieren – und sie vor allem weiterzuentwickeln. In zahlreichen klinischen Studien prüfte die GMMG die Wirksamkeit zahlreicher unterschiedlicher Arzneistoffe. Als sehr effektiv erwies sich etwa Lenalidomid, eine immunmodulierende Substanz, die auf das körpereigene Abwehrsystem einwirkt. Betroffene erhalten das Mittel sowohl zu Beginn als auch nach abschließender Stammzellgabe während der sogenannten Erhaltungstherapiephase.  

Die Forschung der GMMG konnte so über die Jahre dazu beitragen, die Behandlung und Prognose der Myelompatienten deutlich zu verbessern. „Wer heute an Multiplem Myelom erkrankt hat dank moderner Therapien durchschnittlich eine doppelt so hohe Überlebenszeit als noch vor 20 Jahren“, sagt Goldschmidt. Bei 15 bis 20 Prozent der Patienten verschwindet der Krebs sogar ganz für mindestens fünf Jahre oder länger.

Studienergebnisse setzen Therapiestandards

Erst kürzlich konnte die GMMG wieder sehr bedeutsame Forschungsergebnisse präsentieren. In der großangelegten GMMG-MM5-Studie, in der deutschlandweit 31 Transplantationszentren und über 70 weitere Kliniken eingebunden waren, untersuchten Ärzte und Wissenschaftler seit dem Jahr 2010 verschiedene Aspekte der Behandlungsstrategie inklusive der Erhaltungstherapie an fast 600 Teilnehmern. „Wir wollten zum Beispiel herausfinden, ob es für alle Patienten nach der Transplantation gleichermaßen von Vorteil ist, Lenalidomid in der Erhaltungstherapie über einen längeren Zeitraum von zwei Jahren einzunehmen oder ob es manche absetzen können“, sagt Dr. Elias Mai, Assistenzarzt am Myelomzentrum, der an Durchführung und Auswertung der Studie maßgeblich beteiligt war.

Die Daten, die die Bioinformatiker am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) analysierten, zeigen eindeutig, dass von der mindestens zweijährigen medikamentösen Erhaltungstherapie alle Teilnehmer profitieren. „Auch bei einer kompletten Remission sollte man Lenalidomid daher auf gar keinen Fall absetzen“, sagt Mai. Dies sei ein Beispiel dafür, wie die hochwertigen Daten der MM5-Studie unmittelbar die Therapiestandards beeinflussen würden, so Mai.

Eine weitere wichtige Erkenntnis der MM5-Studie lieferte die Datenanalyse einer bestimmten Alterskohorte: Erstmals wurde nachgewiesen, dass auch Betroffene im Alter von 65 bis einschließlich 70 Jahren von der Kombination aus Induktionstherapie, hochdosierter Chemotherapie und anschließender autologer Stammzelltransplantation profitieren. „Die Daten zeigen sogar, dass die Behandlung für die Älteren genauso erfolgsversprechend ist, wie für Jüngere“, erklärt Mai.

Auf Grundlage dieser Forschungsergebnisse sowie zusätzlicher unabhängiger Daten der Deutschen Studiengruppe Multiples Myelom (DSMM) wurde auf einer Fachtagung im Jahr 2019 mit dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) vereinbart, dass das untersuchte, intensive Therapiekonzept nun auch für die Altersgruppe zwischen 66 bis 70 Jahren empfohlen wird. Die Kosten dafür übernehmen fortan die Krankenkassen. Bis dato galt das nur für Betroffene bis 65 Jahre – mit der Begründung, dass die Nebenwirkungen der Therapie für die Älteren zu belastend wären. „Es ist für uns ein großer Erfolg, dass unsere Arbeit – in der viel Herzblut steckt – nachhaltig die Behandlungsempfehlungen beeinflusst “, sagt Mai. Und Goldschmidt ergänzt: „Das zeigt, wie wichtig es ist, qualitativ hochwertige klinische Forschung zu betreiben, von der am Ende dann unsere Patienten profitieren.“

Autor: Dr. Janosch Deeg

Heidelberger Myelomzentrum

Das Heidelberger Myelomzentrum der Abteilung für Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie am Universitätsklinikum Heidelberg und NCT ist weltweit das drittgrößte Therapiezentrum dieser Art. Es werden fast 1500 Patienten pro Jahr aus ganz Deutschland und dem Ausland untersucht und behandelt. Möglich wurde dies erst durch die großzügige und langjährige Unterstützung der Dietmar Hopp Stiftung.

Weiterführende Links
German Speaking Myeloma Multicenter Group (GMMG-Studiengruppe)
International Myeloma Foundation | IMF |Multiple Myeloma Information
Myelomzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD)

Veranstaltungshinweis
Myelomtage: 24.- 25. September 2021, Heidelberg (mehr Infos)