Das von der EU geförderte Projekt CCE-DART (CCE Building Data Rich Clinical Trials) hat zum Ziel, Krebsstudien zu etablieren, die flexibler und einfacher durchführbar sind als traditionelle Studien. Die Behandlung soll auch während des Studienverlaufs individuell angepasst werden können. Die beteiligten Fachleute aus den sieben europäischen Krebszentren des Cancer Core Europe (CCE) Konsortiums sowie vier weiteren Partnerorganisationen setzen dabei auf innovative Technik und moderne digitale Plattformen. Am DKFZ und NCT Heidelberg sind insgesamt fünf Abteilungen in die Initiative eingebunden.
So genannte randomisierte kontrollierte Studien gelten als Goldstandard, um die Wirksamkeit von Behandlungsansätzen zu prüfen. Dabei teilt man Patienten mit der gleichen Erkrankung zufällig entweder der Studiengruppe oder der Kontrollgruppe zu. Am Ende wird verglichen: Welche Wirkung zeigte die zu testende Therapiemaßnahme im Vergleich zu keiner Behandlung oder einer Standardbehandlung? Zwar ist dieses Vorgehen sehr gut geeignet, um die Effektivität therapeutischer Maßnahmen zu validieren, allerdings erlaubt es keinerlei Anpassungen während des Studienverlaufs. Insbesondere im akademischen Umfeld ist dies ein Nachteil, da Wissenschaftler ständig neue Erkenntnisse hinzugewinnen.
Darüber hinaus ist mittlerweile klar, dass die Krebstherapie im Idealfall präzise auf den Einzelnen abgestimmt sein sollte, was in randomisierten kontrollierten Studien nicht möglich ist. Daher finden Experten, dass man die Starrheit und die Einschränkungen traditioneller klinischer Studiendesigns überwinden müsse. Stattdessen braucht es neuartige Designs, die es erlauben, Therapien an die verschiedenen Krankheitssituationen anzupassen. Nur so lässt sich schließlich die optimale Behandlung für den einzelnen Patienten identifizieren.
Das neu gestartete und von der EU geförderte CCE-Projekt Building Data Rich Clinical Trials (CCE-DART) soll nun genau solche innovativen, neuen Arten der Krebsstudien fördern und weiterentwickeln. Geleitet und koordiniert wird das Projekt von Elena Garralda, Direktorin der Forschungseinheit für molekulare Krebstherapie am Vall d'Hebron Institute of Oncology (VHIO) in Barcelona. Mit im Boot sind außerdem etliche Fachleute aus den sieben führenden europäischen Krebszentren des CCE-Verbundes*, dem auch das DKFZ gemeinsam mit dem NCT Heidelberg angehört, sowie vier weitere Partner**. Finanziert wird CCE-DART über das Förderprogramm für Forschung und Innovation „Horizont 2020“ der Europäischen Union.
„Das erklärte Ziel der Initiative besteht darin, die Entwicklung einer neuen Generation von anpassungsfähigeren, effizienteren Studiendesigns in der Krebsforschung voranzutreiben“, erklärt Professor Klaus Maier-Hein, dessen Abteilung „Medizinische Bildverarbeitung“ das CCE-DART Projekt am DKFZ koordiniert. Zusätzlich wolle man darauf hinwirken, dass neuartige Techniken und Methoden in der Klinik schneller zum Einsatz kommen, so der Fachmann für Bildverarbeitung weiter.
Neuartige IT-Werkzeuge sollen die Entwicklung und Durchführung klinischer Studien vollends in das digitale Zeitalter heben. Dazu gehöre laut Maier-Hein, dass man sowohl etablierte als auch neue Datenquellen nutzt und die entsprechenden Informationen systematisch bündelt und analysiert. „Auf diese Weise möchten wir Ärzten eine solidere Entscheidungsgrundlage bieten, die auch denjenigen wissenschaftlichen Entdeckungen Rechnung trägt, die während der Studienlaufzeit gemacht werden“, erläutert er. Wichtig sei ihnen dabei auch, die Krebspatienten selbst in die Gestaltung und Durchführung der Studien mit einzubeziehen. Langfristig werde das alles den Patienten zu Gute kommen, ist Maier-Hein überzeugt.
Ein erster Arbeitsauftrag von CCE-DART besteht im Ausbau einer molekularen Datenbank, in der Krebsmutationen standardisiert gesammelt werden. Die Grundlagen für eine solche digitale Plattform legte die Studie „Basket of Baskets“, kurz BoB, die im Jahr 2018 startete. „Basket“-Studien sind eine neue Art von klinischen Studien, bei denen Patienten, deren Tumorzellen die gleichen Mutationen aufweisen mit dem gleichen Medikament behandelt werden – unabhängig von der jeweiligen Krebsart. Betroffene werden je nach Mutationstyp sozusagen in „Baskets“, zu deutsch „Körbe“, eingeteilt. Die Therapien zielen schließlich darauf ab, die genetische Veränderungen oder deren Auswirkungen zu blockieren. Eine umfangreiche Dokumentation der genetischen Veränderungen in Tumorzellen erlaubt es Forschern etwa, Behandlungen in Populationen mit den gleichen Mutationen durchzuführen.
Bei ihrer Arbeit können die Projektpartner auf die gemeinsame Infrastruktur und den Erfahrungsschatz der CCE-Standorte zurückgreifen. Alleine vom DKFZ und NCT Heidelberg fließt das Fachwissen von fünf Abteilungen ein. Neben der „Medizinischen Bildverarbeitung“ ist die Sektion „Translationale Medizinische Onkologie“ von Professor Stefan Fröhling beteiligt, die sich hervorragend mit molekularer Diagnostik und Präzisionsonkologie auskennt. Professor Heinz-Peter Schlemmer und seine Abteilung „Radiologie“ steuern umfassende Erfahrung hinsichtlich bildgebender Verfahren zu diagnostischen, therapeutischen und wissenschaftlichen Zwecken bei. Die NCT-Studienzentrale um Professor Richard Schlenk hat wiederum weitreichende Erfahrungen was die Planung und Umsetzung klinischer Studien angeht. Und die Abteilung für „Gesundheitsökonomie“ unter der Leitung von Professor Michael Schlander erweitert permanent den aktuellen Wissensstand über Kosten und Kosteneffektivität von Prävention, Früherkennung, Diagnostik und Behandlung von Krebserkrankungen. Zusammen mit den anderen Projektpartnern ist die gebündelte Expertise des CCE-DART-Projekts, was Design, Planung und Durchführung von klinischen Krebsstudien angeht, europaweit Vorreiter. Daher ist Klaus Maier-Hein überzeugt, dass sich dank der Initiative in Zukunft effizientere, personalisierte und effektive klinische Studien in der Onkologie durchführen lassen.
Ansprechpartner:
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Prof. Klaus Maier-Hein
E-Mail: K.Maier-Hein@dkfz-heidelberg.de
Tel.: +49 6221-423545
*Cancer Core Europe (CCE) Konsortium Mitglieder:
- Vall d’Hebron Institute of Oncology, Barcelona, Spanien.
- Karolinska Institute, Stockholm, Schweden.
- Cambridge Cancer Center, Cambridge, Großbritannien.
- National Center for Tumor Diseases Heidelberg and German Cancer Research Center, Heidelberg, Deutschland.
- Netherlands Cancer Institute, Amsterdam, Niederlande.
- National Cancer Institute of Milan, Italien.
- Gustave Roussy Cancer Campus Grand Paris, Villejuif, Frankreich.
**Weitere Partner:
- Digital Experimental Cancer Medicine Team, Manchester, Großbritannien.
- The Hyve, Utrecht, Holland.
- DataRiver, Modena, Italien.
- Form Vision, Abcoude, Holland.