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vom 18.12.2019

Gallenblasenkrebs: Vorsorge in Südamerika verbessern

Europäisch-lateinamerikanisches Forschungskonsortium unter Federführung des Universitätsklinikums Heidelberg wird von Europäischer Kommission mit insgesamt rund 4,7 Millionen Euro gefördert

Pressemitteilung des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD)


In Südamerika treten Krebserkrankungen der Gallenblase viel häufiger auf als in Europa – mit schlechter Prognose. Diese Tumoren sind beispielsweise bei chilenischen Frauen die zweithäufigste krebsbedingte Todesursache. Die Gründe für das häufige Auftreten aufzuklären, Risikomarker zu identifizieren sowie Frühdiagnostik und Prävention zu verbessern, ist Ziel eines neuen europäisch-lateinamerikanischen Forschungskonsortiums, das jetzt offiziell seine Arbeit aufgenommen hat. Sprecher und Koordinator der 13 Verbundinstitutionen aus Chile, Peru, Bolivien, Argentinien, Norwegen, England, Deutschland und Frankreich ist Professor Dr. Justo Lorenzo Bermejo, Leiter der Arbeitsgruppe Statistische Genetik am Institut für Medizinische Biometrie und Informatik am Universitätsklinikum Heidelberg. Die Europäische Kommission fördert das Konsortium im Rahmen des „Horizon 2020"-Programms in den kommenden sechs Jahren mit insgesamt 4,68 Millionen Euro. Die Heidelberger Teilprojekte werden mit 2,4 Millionen Euro finanziert. Über die Laufzeit des Projekts hinaus wird die Lagerung der Patientenproben in der Liquid Biobank des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg geplant.

„Gallenblasenkrebs hat ein großes Präventionspotential, denn die Erkrankung entwickelt sich langsam innerhalb von 20 bis 30 Jahren und die Entfernung der Gallenblase ist eine relativ einfache vorbeugende Maßnahme", erläutert Professor Lorenzo Bermejo. „Allerdings fehlt es an Risikomarkern, die zuverlässig anzeigen, bei wem ein solcher Eingriff sinnvoll und gerechtfertigt ist." Diese Unsicherheit in Kombination mit dem allgemein hohen Risiko für diesen Krebs in Südamerika führt in Chile dazu, dass bei Beschwerden und Gallensteinen schnell – und häufig unnötig – operiert wird, wobei das Gesundheitssystem die Kosten des Eingriffs trägt. Die meist indigene Bevölkerung in ländlichen Gebieten dagegen hat einen schlechten Zugang zu Diagnostik und Therapie. Während in den Städten also zuviel operiert wird, sind die ländlichen Regionen unterversorgt. Bolivien, mit einem noch höheren Vorkommen des Gallenblasenkrebs als Chile, kann sich vergleichbare Präventionsprogramme überhaupt nicht leisten. „Ein zuverlässiger Test auf das persönliche Risiko würde zur Optimierung der Ressourcen beitragen", so Lorenzo Bermejo.

Biomarker für zuverlässige Einschätzung des Krebsrisikos gesucht
In den kommenden sechs Jahren wollen die internationalen Forschungsteams daher gemeinsam daran arbeiten, einen Pool an Risikofaktoren zu finden und auf ihre Aussagekraft hin zu bewerten. Dabei werden sie nicht nur Daten zu Lebensstil und genetischer Herkunft von Patienten sammeln, sondern auch nach molekularen Markern im Blut fahnden – seien es bestimmte Stoffwechselprodukte oder genetische Veränderungen – und mit Proben von Gallensteinpatienten ohne Gallenblasenkrebs vergleichen. Proben von insgesamt 15.000 Patienten werden dazu in der bestehenden Heidelberger Liquid Biobank zusammengeführt, nach höchsten Qualitätsstandards konserviert und von dort an die verschiedenen Arbeitsgruppen verteilt.

Am Ende soll ein auf mehreren Faktoren fußendes Risikomodell entstehen, die eine präzise Einschätzung des individuellen Erkrankungsrisikos zulässt. Die Ergebnisse sollen dazu dienen, diagnostische Tests zu entwickeln und Präventionsprogramme zu verfeinern oder neu zu etablieren. „Darüber hinaus geht es nicht zuletzt darum, die Krankheitsmechanismen und den Einfluss von Lebensweise und Genetik besser zu verstehen, um auf lange Sicht neue Ansatzpunkte für gezielte Therapien bei Gallenblasenkrebs im Frühstadium zu identifizieren", erklärt der Biostatistiker. Der Vergleich mit Biomarkern und Risikofaktoren bei europäischen Patienten – Proben von 400 Patienten für die entsprechenden Analysen lagern bereits in den Biobanken des Deutschen Krebsforschungszentrums DKFZ und des Helmholtz Zentrum München – sollen gemeinsame und unterschiedliche Krankheitsmechanismen bei Gallenblasenkrebs in Südamerika und Europa aufklären und zu einem besseren Verständnis der Tumorentstehung beitragen. Wesentlicher Bestandteil der Förderung ist zudem die international ausgelegte Aus- und Weiterbildung südamerikanischer Nachwuchswissenschaftler im Bereich der Statistik für die Molekulare Medizin im Rahmen eines internationalen Promotionsprogramms.

Gallenblasenkrebs hat weltweit schlechte Prognose
In Deutschland ist Gallenblasenkrebs relativ selten: Jährlich sterben ca. 1.300 Menschen daran. Da die Tumoren erst im fortgeschrittenen Stadium Beschwerden wie Schmerzen im Oberbauch oder Gelbsucht verursachen, werden sie erst spät diagnostiziert und sind dann meist nicht mehr vollständig entfernbar. Die durchschnittliche Überlebenszeit beträgt daher vier bis fünf Monate. Bekannte Risikofaktoren in Europa sind Alter und Geschlecht – Frauen sind viermal häufiger betroffen als Männer – sowie Gallensteine und andere Erkrankungen der Gallenblase. In Südamerika dagegen spielt die genetische Abstammung eine entscheidende Rolle: Menschen mit überwiegend indigener Herkunft haben ein höheres Mortalitätsrisiko. Die Mechanismen des Zusammenhangs zwischen genetischer Herkunft und Gallenblasenkrebsentstehung sind noch nicht bekannt.

Internet:
www.biometrie.uni-heidelberg.de/StatisticalGenetics
www.cancerdevesicula.cl
 
Kontakt:
Prof. Dr. Justo Lorenzo Bermejo
Leiter der Forschungsgruppe Statistische Genetik
Institut für Medizinische Biometrie und Informatik
Tel.: 06221 56-4180
E-Mail: EULAT_Eradicate_GBC@imbi.uni-heidelberg.de
URL: http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/newsroom/gallenblasenkrebs-vorsorge-in-suedamerika-verbessern/

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Pressesprecherin
Leiterin Unternehmenskommunikation
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doris.ruebsam-brodkorb@med.uni-heidelberg.de

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Stellvertretende Pressesprecherin
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Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg: Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang
Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 13.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit fast 2.000 Betten werden jährlich rund 65.000 Patienten vollstationär, 56.000 mal Patienten teilstationär und mehr als 1.000.000 mal Patienten ambulant behandelt. Gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum und der Deutschen Krebshilfe hat das Universitätsklinikum Heidelberg das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg etabliert, das führende onkologische Spitzenzentrum in Deutschland. Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit studieren ca. 3.700 angehende Ärztinnen und Ärzte in Heidelberg.
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